„Und dann ist nichts mehr, wie es war…“ – Hundgestützte Trauerbegleitung
- Anna Hartmann

- 27. Aug.
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Aug.
"Mein Hund wird sterben."
Die Vorstellung daran, dass mein Hund irgendwann sterben wird, und ich ziemlich sicher damit konfrontriert sein werde, löst in mir große Traurigkeit aus...
So ähnlich geht es Dir vielleich auch, wenn du an den Tod deines Hundes denkst.
Um dieses Thema genauer zu beleuchten; und wie wir Hundemamas und -papas mit diesem Ereignis, im Leben mit unseren Hunden, umgehen können, habe ich gezielt Anna Hartmann kontaktiert.
Aus meiner Anfrage an Anna, einen Gastblogbeitrag zu schreiben, ist ein umfangreiches und spannendes Interview zu ihrem Einsatz zur Hundgestützten Seelsorge, speziell den Aspekt der Trauerbegleitung, entstanden.
Anna Hartmann wohnt mit ihrer Familie im Wetteraukreis. Nach ihrem Theologiestudium ist sie seit mehreren Jahren als Pastoralreferentin, in der katholosichen Klinikseelsorge, hauptberuflich für das Bistum Fulda, in Hanau tätig.
Anna gehört dem Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde e.V. (QNS) an und absolvierte mit ihrer Hündin Aska eine Trauma-Assistenz-Ausbildung bei Dr. Sandra Foltin.
Interview mit Anna Hartmann beginnt:
Liebe Anna,mein Blogleser*innen haben bis hierhin ein grobes Bild über deine Tätigkeit und diene Zusatzqualifikation. Lass uns jetzt mit den Interview beginnen :).
Wie entwickelte sich Dein Weg zur Trauerbegleitung für Tierhalter ?
Als Klinikseelsorgerin begleite ich Menschen in Ausnahmesituationen: Menschen in Freud und Leid - von Beginn des Lebens bis zum Ende. Manchmal sogar darüber hinaus in der Begleitung der Hinterbleibenden.
In meiner Diplomarbeit des Theologiestudiums (2009/2010) befasste ich mich mit der tiergestützten Intervention im Senioren- und Pflegeheim und die Bedeutung für die Lebensqualität. Mein Ausblick galt einer „tiergestützten Pastoral“, also dem Einsatz von Tieren in der kirchlichen Arbeit mit Menschen.
Zehn Jahre später, 2020 – pünktlich zu Corona – zog unsere Hündin Aska ein. Eine weiß-schwarze Mischlingshündin aus dem Frankfurter TSV. Aska wurde ein Seelsorgebegleithund.
Als Mensch-Hund-Team absolvierten wir eine Pädagogikbegleithund-Ausbildung bei dogik (2021) und eine Trauma-Assistenz-Ausbildung bei TTA-NRW (März 2025).
So entwickelte sich mein persönliches Thema:
Trauerbegleitung für Tierhalter.
Schon in meiner Kindheit faszinierten mich Tiere. – So hatte ich eine Schneckenzucht und Regenwürmer, weil wir in einer Wohnung lebten und meine Eltern der Meinung waren, dass Tiere nicht in eine Wohnung gehören. „Wenn dir jemand ein Tier schenkt, müssen wir es ins Tierheim bringen.“ – Ob das pädagogisch so gut war, sei da mal dahingestellt. Doch es hat geholfen. Ich habe meine Tierliebe anderen Tierhaltern „zur Verfügung“ gestellt.
Ab der 5. Klasse erlaubten mir meine Eltern zu reiten. Der Reitstall war wie ein zweites Zuhause. Dort lebte „mein“ Hund. Ein wunderschöner Collie-Rüde namens Zatchmo. Er lief frei auf dem Hof und ging oft seiner Wege. Sobald er mein Fahrrad in den Ständern feststellte, lief er suchend durch den Stall, bis er mich fand und sich bellend freute; ich natürlich auch. Dieser Collie war ein wichtiger Wegbegleiter. War mein Freund und Spielkamerad. Ich hätte damals meine Klassenkameraden gerne gegen die Tiere eingetauscht. Irgendwann ist dann dieser Collie weit weggezogen.
Tiere faszinierten dich schon immer, aber auch die Begleitung von Menschen wurde ein wesentlicher Teil deiner Arbeit und Lebens. Wie hat deine Hündin Aska Einfluss genommen, und wie unterstützt sie dich bei deiner Arbeit als Seelsorgerin?
Es gibt unterschiedliche Arten, wie Aska mich unterstützt. Das wichtigste ist, denke ich, dass sie die Funktion eines Kommunikationskatalysators übernimmt. Das bedeutet, dass sie durch ihre äußere Erscheinung vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert oder einfach nur die Blicke auf sich zieht. Viele Personen zwischen 50 bis 70 Jahre sprechen mich auch auf Gassirunden an und beginnen ein Gespräch: „Der sieht ja aus, wie von den Kleinen Strolchen“ oder „Das ist ja niedlich. Sieht aus, wie ein Pfotenabdruck.“ – Und schon ist ein Gespräch mit fremden Leuten entstanden.
Askas offene Art auf Menschen zuzugehen, macht keinen Unterschied, ob der Mensch z.B. keine Angehörigen hat oder aus einer Großfamilie kommt. Sie macht keinen Unterschied, ob der Mensch Freunde hat oder eben ein Einzelgänger ist. Sie lebt im Augenblick und nimmt die Stimmungen des anderen war und natürlich meine eigenen.
Eine der ersten Einsätze in der Familienbildungsstätte in Hanau war ein Gespräch mit einer Mutter, die gerade von einer Mutter-Kind-Kurberatung kam. Da mein Büro eine Etage tiefer war und sie mich kannte, trafen wir uns direkt im Anschluss. Sie erzählte und erzählte ohne Punkt und Komma in einem Affentempo.
Aska lag einige Zeit im Raum. Dann stand sie auf und ging zur Tür. Aska brauchte eine Pause. Ihr war es zu dicht. Deutlicher konnte sie es nicht ausdrücken. So kommentierte ich ihr Verhalten und bezog die redende Mutter mit ein. Der Mutter tat es sichtlich leid. Sie drosselte ihre Redegeschwindigkeit und Lautstärke sofort. Ich meinte zu dieser Mutter, dass ich Aska rausbringen müsste, da sie eine Pause bräuchte, wir aber gerne noch etwas sprechen könnten. Die Mutter erwiderte: „Nicht nötig, ich muss eh gehen.“
Ganz anders war Aska aktiv bei der Trauergruppe von Tierhaltern, die ich ebenfalls in der Katholischen Familienbildungsstätte Hanau anbot. Hier brachte sie z.B. Aufgaben für die Kursteilnehmer oder legte sich selbstständig an die Seite der Teilnehmerinnen, die es am meisten bedurften. Sie war zur Stelle, wenn Teilnehmerinnen anfingen zu weinen. Durch ihre unmittelbare Nähe fühlten sie sich getröstet.

Der Inhalt deines Angebots ist dir eine Herzensangelegenheit. Was motiviert dich?
Das ist eine sehr interessante Frage und gar nicht so einfach zu beantworten, weil sie so vielschichtig ist.
Begonnen hat es mit meiner Diplomarbeit. Im letzten Kapitel kam ich zum Schluss, dass eine „Tiergestützten Pastoral“ - also der gemeinsame Dienst von Tier und Seelsorger*innen für die Menschen in Kirchengemeinden und darüber hinaus - in der Zukunft notwendig sei aufzubauen.
„Mit offenen Augen, Ohren und Herzen dem Menschen begegnen“ setze ich als Auftrag über meine (hundgestützte) Seelsorge, denn ich glaube daran, dass in jeder Begegnung ein Funke Gottes enthalten ist. Wir müssen nur empfänglich dafür sein.
In der breiten Gesellschaft ist der Themenkomplex um Sterben, Tod und Trauer immer noch tabu. Deshalb ist es mir so wichtig, diesem Gefühlschaos einen Raum zu bieten, in welchem sich Betroffene ernst genommen und eine wertschätzende Begleitung erfahren dürfen.
Wann beginnt die Trauer - und in diesem Kontext, die Trauer um ein Tier?
Sterben, Tod und Trauer ist in der heutigen Gesellschaft leider immer noch ein Tabu-Thema. Sätze wie: „Er ist eingeschlafen“ oder „ist von uns gegangen“ zeugen von der Scheu diese Worte überhaupt in den Mund zu nehmen.
Der Tod ist in vielen Religionen und Lebensentwürfen mit einer Hoffnung verbunden. So z.B. bei der Abkürzung R.I.P (lateinisch: requiescat in pace) also Ruhe in Frieden oder mit dem Verweis auf die Regenbogenbrücke, welche eine Wiese beschreibt, auf der sämtliche Tiere ohne Schmerzen und Leiden leben, solange ihr Mensch ebenfalls gestorben ist und dann gemeinsam mit seinem Tier über die Regenbogenbrücke gehen kann.

Im National Geographic wurde erst 2023 veröffentlicht, dass die Schottin Edna Clyne-Rekhy als ursprüngliche Autorin des Gedichts „The Rainbow Bridge“ zu nennen ist. Bereits 1959 schrieb sie aus ihrer Trauer heraus den Text für ihren Hund Major. (https://www.nationalgeographic.com/animals/article/rainbow-bridge-poem-pet-death-mourning-origin-revealed. Stand: 21.07.2025)
Zu Beginn habe ich immer gedacht: „Trauer, um ein Tier beginnt mit einer entsprechenden Diagnose oder wenn das Tier gestorben ist.“ Doch ich lernte von meinen Kursteilnehmerinnen in der Katholischen Familienbildungsstätte, dass Trauer schon viel früher beginnt, da wir Menschen die Fähigkeit haben „vor-zu-trauern“.
Irgendwann wird das Tier nämlich alt und älter. Denn wir Menschen wissen, dass es irgendwann mit dem Tod und dem End-gültigen endet. Der größte Teil der Kursteilnehmerinnen nutzen das Gruppenangebot, um sich vorzubereiten, „um es diesmal besser zu machen.“
Welche Botschaft ist dir wichtig?
Jeder Mensch trauert auf seine eigene Art und Weise - in seinem eigenen Tempo. So individuell die Persönlichkeiten sind, so individuell sind auch die Bedürfnisse der trauernden Tierhalter.
Bei der Trauer bedarf es einen gesonderten Blick auf betroffene Kinder in der Familie und ggf. im Sozialfeld. Trauer ist eine natürliche Reaktion auf den Verlust eines geliebten Gegenübers. Und ja, natürlich darf ein Tierhalter um sein Haustier trauern. Manchmal stellen Kinder die Frage, ob Tiere in den Himmel kommen. Das weiß natürlich niemand, doch ich glaube daran, dass jedes Lebewesen einen Platz bei Gott hat. Denn ihm ist seine ganze Schöpfung wichtig.
Welche Herausforderungen siehst du in deinem Angebot und welchen Weg möchtest du mit den Tierhaltern gehen?
Die erste Herausforderung derzeit ist für mich die Zeit. Denn aktuell wäre es ein
ehrenamtlicher Dienst, welcher um meine eigentliche Arbeitszeit als Klinikseelsorgerin gesetzt werden muss.
Eine weitere Herausforderung ist, dass tiergestützte Seelsorge im kirchlichen Kontext bisher sehr spärlich in Deutschland zu finden ist. Ein spezielles seelsorgliches Angebot für trauernde Tierhalter gibt es noch viel weniger.
Mit Blick auf die Trauernden ist, denke ich, die größte Herausforderung sich überhaupt erst einmal zu melden und Begleitung zu erfragen. Dies bedeutet oft eine Überwindung, denn Trauer um ein Tier ist noch nicht gesellschaftsfähig. Es ist noch nicht in der Gesellschaft verankert, doch es gibt immer mehr Anbieter*innen, welche sich eine Marktlücke erschließen.

Seelsorgliche Begleitung kann Hilfestellung beim Gedankensortieren geben, kann aktives Zuhören oder mit-aushalten sein. Es kann Gebet, Segen oder Rituale bedeuten – muss es aber nicht. Bei einer seelsorglichen Begleitung ist es wichtig den Gesprächspartner in seinen Bedürfnissen zu achten und seine Grenzen zu respektieren.
In einem Erstgespräch lassen sich schon viele Sorgen oder Bedenken klären. Der trauernde Tierhalter kann entscheiden, ob eine Trauerbegleitung mit mir und ggf. mit meiner Hündin Aska das Richtige sein könnte.
Letztendlich gibt der Trauernde die Richtung vor und ist sehr individuell abgestimmt, sofern es eine Einzelbegleitung ist. Als Gruppenangebot stecken wir gemeinsam wichtige Themen ab, damit eine Begleitung stimmig ist.
Mein Vater sagte früher, als mein Opa gestorben war: „Der Tod gehört zu Leben dazu.“ Wer dies in seinen Trauerprozess einweben kann, der ist auf einem guten Weg mit der Endgültigkeit des Todes zu leben.
Wichtig ist, dass ich keine Therapeutin bin. Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Kompetenzen überschritten sind oder der Trauernde besser von einem psychotherapeutisch oder systemisch ausgebildeten Menschen begleitet werden sollte, werde ich die Begleitung nicht weiter übernehmen können und ggf. an eine entsprechende Stelle weitergeben.
Welche Position nimmst du als Seelsorgerin ein? Einerseits gibt es klare Grenzen und Abgrenzungen zu ausgebildeten Therapeuten, andererseits gibt es eine Lücke im System zu füllen. Welche Gedanken hast du hierzu?
Ja, genau. Als Trauernde ist es oft schwer einen klaren Blick zu behalten. Zu erkennen, wann ein Trauernder anderweitige professionelle Hilfe aufsuchen sollte, ist ebenso Teil meiner Seelsorgearbeit. Die Möglichkeiten eines Seelsorgers (zumindest, wenn er durch das Theologie oder religionspädagogische Studium gegangen ist) sind breit gefächert und die Kompetenzen sind sehr vielfältig. Dies macht es manchmal schwierig genau abzugrenzen, wann etwas „Soziale Arbeit“, „Seelsorge“ oder „Psychotherapie“ ist. Manchmal sind die Methoden ähnlich, doch gibt es evtl. eine andere Intention.
Der Psychotherapeut würde vielleicht nicht auf das Gebet zu sprechen kommen oder gar mit dem Klienten beten. Der Seelsorger arbeitet nicht nach einem „Heilungsplan“ er lässt sich viel mehr leiten, von dem, was sein Gegenüber / „sein Nächster“ braucht. Als Seelsorgerin kann ich niemanden heilen, ich kann begleiten, aushalten oder z.B. Gedanken sortieren.
Gleichzeitig erkenne ich Parallelen oder Gemeinsamkeiten zwischen Seelsorger*innen und den Tieren - sie hören zu und das Gehörte wird nicht ausgeplaudert (vgl. Seelsorgegeheimnis). Das ist denke ich die größte Gemeinsamkeit zwischen Seelsorgenden und Tieren. So ist es meiner Meinung nach eine sehr gute Ergänzung als Seelsorgeteam von Hund und Mensch für Trauernde eine Anlaufstelle und eine Möglichkeit der Begleitung zu sein.
Wodurch profitieren deine Kursteilnehmer? Kannst du ein paar Fokuspunkte/Inhalte deines Angebotes genauer beleuchten? Was kann man als Teilnehmer *in erwarten?
Diese Frage ist dann doch wesentlich kürzer zu beantworten.
Wertschätzende und behutsame Begegnung
Einsatz meiner Hündin Aska möglich
Im Gruppensetting:
Möglichkeit des Austausches unter Betroffenen
Möglichkeit der Erfahrung einer tragenden Gemeinschaft
Respekt vor der jeweiligen Trauer
Wie läuft deine Arbeit ab, nachdem die zu begleitende trauernde Person bei dir angerufen hat? Gehst du zu ihr nach Hause und betreust du sie dort oder findet die Trauerbegleitung außerhalb des häuslichen Kontextes statt?
Sobald sich jemand bei mir gemeldet hat, versuchen wir herauszufinden, was es überhaupt braucht. Manchmal reichen auch nur ein oder zwei Telefonate oder es entpuppt sich
als eine Art „Chat-Seelsorge“. Wir schauen, wo der Mensch wohnt. Ich selber wohne in der südlichen Wetterau. Hier könnte ich z.B. in den Räumlichkeiten der katholischen Kirchengemeinde eine Begleitung anbieten. Je nach Wetterlage auch Outdoor.
Theoretisch bestünde auch eine Möglichkeit in Hanau in den Räumlichkeiten der Katholischen Familienbildungsstätte eine Trauerbegleitung anzubieten. Ein großer Vorteil wäre, dass Aska die Räumlichkeiten kennt und keine Eingewöhnung stattfinden muss.
Zu Hausbesuchen würde ich nicht kommen, da Aska kein Besuchshund ist, sondern in einem Umfeld im Einsatz sein kann, welches sie kennt, um nicht zu abgelenkt oder gar überfordert zu werde. Es könnten ja z.B. Katzen oder andere Haustiere im Haushalt leben.
Aska ist nie Mittel zum Zweck. Sie kann eigenständig entscheiden, ob sie bei Einsätzen mit möchte oder nicht. So kann es passieren, dass sie nicht ins Auto springen möchte und aus diesem Grund zu einer geplanten Einheit nicht mitkommt.
Aska kommt auch nicht zwangsweise mit, denn der Trauernde entscheidet selber, ob er einen Hundekontakt haben möchte. Wenn er diesem zustimmt, werden einige Verhaltensregeln besprochen und Aska kann zum nächsten Treffen dazukommen.

Ich kann mir vorstellen, dass die Arbeit als Seelsorgerin gleichermaßen belastend sowie bereichernd für dich ist. Was tust du für dich selbst, nach oder noch während einer Trauerbegleitung für dich?
Wenn ich auf meine Tätigkeit als Klinikseelsorgerin blicke, habe ich für mich einige Tools gefunden, die für mich hilfreich sind. Darüber hinaus haben wir als kirchliche Mitarbeiter*innen die Möglichkeit zur Supervision, was ich wirklich jedem empfehlen kann, der in diese Feldern unterwegs ist.
Zu meinen Tools gehört z.B. ein freier Kopf. Ich muss aufnahmebereit sein, um mich auf mein Gegenüber einlassen zu können. Wenn es mir selbst schlecht geht oder ich mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt bin, kann ich nicht hilfreich für andere sein. Nur wenn meine eigene Schale leer ist, kann ich diese füllen lassen.
Wenn diese Schale dann übervoll ist, muss ich diese Fülle weitergeben. Ich kann als Seelsorgerin mit Seelsorgegeheimnis (S. 12 ff) natürlich nicht alles direkt weitererzählen. Doch ich kann es z.B. in einem Gebet oder Segen zusammen mit meinem Gegenüber in Worte fassen.
Ab und an, wenn es auch für mich ein schwieriges Gespräch war, gehe ich in die Klinikkapelle und schreibe in das dortige Fürbittbuch oder sitze einfach nur dort oder entzünde eine Kerze. Manchmal gehe ich auch bewusst aus dem Haus raus und gehe um das Haus rum. Letztens musste ich in Bewegung gehen und bin in die Stadt gelaufen, saß dort und schaute die Bewegungen der Stadt.
Das sind meine Tools für das Krankenhaus. Doch zum professionellen Arbeiten gehört immer ein Stück Distanz. Es ist nicht meine Geschichte. Es ist nicht mein Hund und nicht meine Katze, die dort gestorben sind. Es ist die Leere, der Schmerz, die Trauer des anderen. Doch auch ich kenne die Erfahrung von Wut, Schmerz, Angst und Erleichterung.
Ich finde deine Arbeit sehr wichtig! Auch ich habe meine Katze Lia damals verloren - gerade hielt ich sie in meinen Armen und im nächsten Moment sprang sie vor die Räder eines Autos.
So kam Aramis zu uns! Und dann kam eins zum anderen und nun sitzen wir hier und reden und schreiben über dieses hochspannende Thema!
Worauf ich hinaus möchte ist, dass es den Trauernden vielleicht gar nicht einfällt in dieser starken Trauer jemanden zu kontaktieren. Umso wichtiger ist deine Arbeit! Denn meine Geschichte ist so tatsächlich kein Einzelfall; dass Menschen - auch Hundetrainer*innen - aus der Trauer heraus ein nächstes Tier zu sich holen… An dieser Stelle hilft deine Arbeit sicherlich den klaren Blick zu behalten.
Wie also können wir aktiv dabei helfen, die Arbeit als Seelsorger*in schon im Vorfeld publik zu machen?
Da sprichst du etwas an, was in die Kategorie „sprachfähig werden“ gehört. Sterben, Tod und Trauer gehören in der deutschen Gesellschaft immer noch zu den Tabus.
Wenn ich dein Beispiel mit Lia aufgreifen darf. Du hast oben geschrieben, dass du sie „verloren“ hättest. Vielleicht weil es zu einer geläufigen Floskel geworden ist, vielleicht aber auch, weil dieses Wort/Bild das Geschehen etwas abmildert. Der Tod ist so end-gültig in seiner Biologie und schreckt ab. Da wir Menschen ihn nicht in seiner Gänze erfassen können.
In der Vergangenheit als Großfamilien noch zusammenlebten oder eine Dorfgemeinschaft Totenwache hielt, gab es spezielle Riten, die im Zustand der Trauer Halt gaben. Heutzutage brechen diese Riten weg, weil viele nicht mehr diesen Glauben haben oder auch kein haltgebendes Netzwerk um sich herum geknüpft haben. Wenn jemand einsam und allein mit diesem Todesschlag umgehen soll und keine Erfahrungen bisher mit Sterben und Tod machen durfte, dann bricht ihm alles weg. Deshalb ist es so wichtig, z.B. auch Kinder an das Thema Sterben und Tod heranzuführen und einzuführen. (Oh, ich glaube ich komme grad etwas vom Thema ab…)
Muss es vielleicht allgemein bekannte Anlaufstellen für eine Begleitung durch Seelsorger*innen geben? Gibt es diese schon?
Ja, unbedingt. Es gibt schon ein paar kirchliche Mitarbeiter*innen in Deutschland, die sich der tiergestützten Seelsorge annehmen. Kolleg*innen sind im Saarland, Köln, Paderborn, Münster, Mannheim oder Wehr (Süddeutschland). Auf Facebook gibt es z.B. eine öffentliche Gruppe: @Netzwerk: Tiergestützte Seelsorge.
Seelsorge ist aber kein geschützter Begriff, so kann sich jeder Seelsorger nennen, genauso wie sich jeder Trauerbegleiter oder Coach oder auch Hundetrainer nennen kann. Die jeweilige Qualifikation und das Verständnis ist wichtig, um einschätzen zu können, ob die Begleitung passen könnte.
Danke liebe Anna für dieses Interview mit Dir! Deine Arbeit als Seelsorgerin ist eine Bereicherung, wie ich finde! Wie können Trauernde, Menschen wie Dich erreichen?
Eine allgemeine Telefonnummer für die Vermittlung von Menschen wie Dir!
Gastautorin / Interview mit: Anna Hartmann

Anna Hartmann wohnt mit ihrer Familie im Wetteraukreis. Nach ihrem Theologiestudium ist sie seit mehreren Jahren als Pastoralreferentin, in der katholosichen Klinikseelsorge, hauptberuflich für das Bistum Fulda, in Hanau tätig.
Anna gehört dem Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde e.V. (QNS) an und absolvierte mit ihrer Hündin Aska eine Trauma-Assistenz-Ausbildung bei Dr. Sandra Foltin.
Kontaktiere Anna zum Thema hundgestützte Trauerbegleitung & Seelsorge gerne über anolha@web.de.



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